Eine Gämse auf dem Säumerweg in Zermatt

Unterwegs auf dem Säumerweg in Zermatt – gemeinsam mit Murmelis und Gämsen

Wolken. Überall Wolken. Und Nebel. Ganz toll. So langsam steigt die Angst in mir hoch, dass wir uns verlaufen. Und das Matterhorn zeigt sich auch partout nicht… So habe ich mir das nicht vorgestellt.
Es ist der erste volle Wandertag unseres Urlaubes. Wir sind in Zermatt, einem verdammt tollen und noch dazu meinem absoluten Lieblingsort in der Schweiz. Also eigentlich. Wenn man das Matterhorn sehen könnte. Heute, am Sonntag, hüllt es sich jedoch in dicke Wolken und gönnt uns nicht einen kleinen Blick auf sich.

Nichts desto trotz lassen wir uns davon natürlich nicht abschrecken und machen uns auf unsere erste Tour auf. Wir starten direkt mit der anstrengendsten Wanderung der ganzen Woche. Auf dem Säumerweg geht es von Furi bis zur Gandegghütte. Dabei müssen mehr als 1.000 Höhenmeter überwunden werden. Laut Wanderführer sind knappe 4 Stunden für die Tour angesetzt. Eigentlich wird er in die andere Richtung, also bergab, empfohlen, aber wir scheuen nicht die Herausforderung, bergauf zu kraxeln. Der Wanderführer hierzu: „Wer den Weg von unten, von Furi aus, in Angriff nimmt, sinkt am Abend sehr zufrieden ins Bett.“

Zusätzlich zum Wetter, das nicht so ist, wie ich mir das vorgestellt habe, bekommt meine Laune direkt noch einen dicken Dämpfer, als wir am Ticketschalter stehen und eine Wochenkarte für die Gondeln in Zermatt kaufen wollen. Der Kerl erzählt uns was von 266 CHF pro Person! Ich falle aus allen Wolken. Dass Zermatt teuer ist, steht außer Frage, aber so krass? Wir wollen ja nicht mal Ski laufen… Aber was hilft’s, die Berge rufen uns, also lassen wir die Kreditkarte glühen. Aua…

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Zu Beginn unserer Tour fahren wir gemütlich mit der Seilbahn bis nach Furi hoch. So befinden wir uns immerhin schon mal auf 1.867m. Von  hier haben wir den Einstieg zum Säumerweg schnell gefunden. Und dann geht’s auch schon los: der Weg führt steil bergauf. Innerhalb kürzester Zeit rinnt mir der Schweiß den Rücken hinunter. Nach 15 Minuten bin ich schon am Hadern: sollen wir tatsächlich weitergehen? Vielleicht habe ich mir hier einfach auch zu viel zugemutet… Und dabei habe ich mich echt für sportlich gehalten. Nach gefühlten 10 Päuschen auf den ersten 100 Metern entscheiden wir uns aber doch fürs Weitergehen. Es dauert auch nicht lange, bis wir aus den Bäumen heraus sind. Jetzt sieht man noch krasser, wie die Wolken sich gegen den Berg drücken und wie schnell sie sich bewegen. Na toll, das wird also ein Wettlauf gegen die Wolken. Von ihnen erwischt zu werden und dann gar nichts mehr zu sehen, darauf kann ich echt verzichten. Der Weg ist sowieso nur ein kleiner schmaler Pfad, bei schlechter Sicht finden wir ihn bestimmt gar nicht mehr. Stefan muss sich also direkt zu Beginn der Tour einiges an Bedenken von mir anhören und beruhigt mich aber, dass wir uns dann einfach hinsetzen und warten, bis die Wolken weitergezogen sind. Okay, das klingt akzeptabel für mich.

Plötzlich werde ich aber aus meinen grüblerischen Gedanken gerissen: eine Gämse! Munter und flink ist sie auf dem Weg ins Tal und scheint auch ein wenig überrascht, auf zwei Wanderer zu treffen. Und da, noch eine! Nur ein paar Meter über uns steht sie auf einem Felsen. Oh, wie toll! Das hebt meine Laune direkt um ein Vielfaches. Leider sind sie viel zu scheu und ratzfatz verschwunden. Erwischt haben wir sie trotzdem mit unserer Kamera.

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Auf dem weiteren Weg treffen wir dann noch auf andere Bergbewohner. Murmelis. Wie knuffig. Gerade, als wir stehenbleiben und eines beobachten, streckt direkt neben mir ein anderes Murmeli seinen Kopf aus seinem Bau. Ich weiß nicht, wer sich mehr von uns erschreckt, das Murmeli oder ich. Wahrscheinlich hat keiner von uns beiden mit dem Anderen gerechnet. Leider hat alles Warten keinen Sinn, es wagt sich erst einmal nicht mehr hinaus. Schade.

Der Weg führt uns nun immer höher hinauf. So langsam brauche ich wieder eine Pause und wir lassen uns auf einem Stein erst mal unseren warmen Tee und belegte Brote schmecken. Von hier aus können wir schon eine Gondelstation in der Nähe sehen und angesichts dessen, dass die Wolken irgendwie immer dichter und mehr zu werden scheinen, bin ich kurz davor, unseren Weg abzubrechen und zur Gondel zu laufen. Aber eben nur kurz davor. Wir entscheiden uns dann doch für den weiteren Aufstieg.

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Die Landschaft verändert sich nun wieder. Statt grüner Wiesen kommen wir jetzt fast ausschließlich über Steine und Felsen. Der Weg verschwindet manchmal ganz und wir müssen mehr oder weniger raten, wo es weiter geht. Das ist wie ein Plateau hier oben. Schließlich taucht der Trockene Steg in der Ferne auf. Dort wird unser Endziel der Wanderung heute liegen, aber zuerst geht es noch ein Stück daran vorbei, weiter hoch zur Gandegghütte.

Unterwegs kommt uns ein Mann auf seinem Mountainbike entgegen. Er ist der erste Mensch, der uns heute hier begegnet. Wahnsinn, wie locker er über die Felsen fährt auf dem Weg ins Tal. Krass. Da können wir nur staunend hinterherblicken.

Wir merken nun, dass wir uns schon ziemlich hoch befinden. Hier liegen noch einzelne Schneefelder. Darunter ist der Weg gar nicht mehr zu erkennen. Vor allem auf dem letzten Stück des Weges ab der Höhe des Trockenen Steges bis zur Gandegghütte müssen wir nun fast ausschließlich durch Schnee stapfen. Querfeldein. Der Weg ist ja verschwunden. Ohje. Zum Teil sacken wir recht tief ein. Auch hier bin ich wieder kurz bevor, umzudrehen. Aber Stefan stapft tapfer voran und verkündet schließlich, dass unser Ziel in Sichtweise liegt. Endlich!

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Die Gandegghütte liegt auf einem Felsen in 3.030m Höhe am Rand des Theodulgletschers. Hier kommt man sich vor, wie im Himalaya. Richtig schön ist die Hütte, in einem knalligen Gelbton gestrichen, mit dicken Fellen auf den Bänken. Zuerst will sich schon Enttäuschung breit machen, da wir denken, die Hütte sei geschlossen, aber dann entdecken wir den Eingang auf der Rückseite. Innen ist die Hütte unheimlich heimelig eingerichtet, so richtig Hüttenromantik herrscht hier. Man kann hier auch übernachten, wenn man auf einer Tour ist. Wir gönnen uns erst mal heißen Apfelpunsch, Omelette und Tagessuppe. Zwischendurch kraulen wir noch die Hüttenkatze. Herrlich, hier lässt es sich aushalten.

Der Rückweg zum Trockenen Steg geht dann schnell und einfach vonstatten. Zwar auch wieder durch Schnee, aber der Weg ist wesentlich besser erkennbar.

Von hier aus geht es dann bequem per Gondel zurück ins Tal. Und was das Versprechen des Wanderführers anbelangt, dass man abends zufrieden ins Bett sinkt: ja, das ist wahr. Leider verschlafe ich am Abend, wie Deutschland Weltmeister wird…

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